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Das Tiroler Trinkwassernetz ist in die Jahre gekommen. Zahlreiche Leitungen müssen saniert werden. Generell werde derzeit aber viel zu wenig saniert, sagen Experten. Durch Extremwitterungsereignisse wird das Trinkwasser-versorgungsnetz technisch noch stärker beansprucht. Von Christoph Archet
In Österreich sind seit dem Jahr 1959 55 Milliarden Euro in den Aufbau der Trinkwasser- und Abwassersysteme geflossen. Insgesamt wurden ca. 165.700 km an öffentlichen Trinkwasser- und Abwasserleitungen verlegt, fast 15.000 km davon in Tirol. Das hochwertige Trinkwasser fließt dabei aus mehreren tausend Wasserversorgungsanlagen zu den Tiroler Haushalten. Etwa 30 Anlagen versorgen große Gebiete mit mehr als 5.000 Einwohnern mit lebenswichtigem Nass.
Aber nichts hält ewig. Das gilt auch für Wasserleitungen und Kanäle. Irgendwann muss saniert werden. Aus den Baujahren ab 1994 stammen gut 40 Prozent der Kanäle und mehr als 30 Prozent der Wasserleitungen. Im Zeitraum von 1984 bis 1993 wurden knapp 30 Prozent der Kanäle und 15 Prozent der Wasserleitungen errichtet. Und von 1974 bis 1983 gingen 15 Prozent der Kanäle und ebenfalls rund 15 Prozent der Wasserleitungen in Betrieb. Etwas weniger als 15 Prozent der Kanäle, aber mehr als 35 Prozent der Wasserleitungen in Tirol sind älter als 40 Jahre. "In der Regel geht man von einer durchschnittlichen Lebensdauer der Leitungen von 50 bis 100 Jahren aus. Daraus resultiert rechnerisch ein jährlicher Erneuerungsbedarf in Höhe von mindestens ein bis zwei Prozent des Netzes. Tatsache ist aber, dass die Erneuerungsraten bei kommunalen Anlagen in Österreich derzeit weit unter einem Prozent pro Jahr liegen und somit weit unter den technisch errechneten Zielwerten", erklärt Stefan Wildt, stellvertretender Vorstand der Abteilung Wasserwirtschaft vom Amt der Tiroler Landesregierung, die Dringlichkeit der laufenden Wassernetzsanierung. Aber nicht nur das Alter des Netzes bereitet den Wasserversorgern Probleme.
"Die Themen Trinkwassernotversorgung und Krisenmanagement werden aufgrund der in immer kürzeren Abständen auftretenden Extremwitterungsereignisse stark an Bedeutung gewinnen", umreißt Robert Gschleiner, Geschäftsbereichsleiter Wasserservice der Innsbrucker Kommunalbetriebe AG, zukünftige Herausforderungen. Trinkwasserversorgungsunternehmen werden sich laut Gschleiner in Vorbereitung auf Krisensituationen (z. B. Ausfall von Hauptressourcen) verstärkt vernetzen und mit Ressourcen gegenseitig unterstützen. Größere Wasserversorgungsunternehmen werden ihr Dienstleistungsprogramm noch erweitern und im Bedarfsfall von kleineren Wasserversorgungsunternehmen mit der Durchführung einzelner Wasserdienstleistungen betraut werden.
Schadensprobleme
Die Lebensdauer der Trinkwasser- und Abwassernetze kann abhängig von der Qualität der ursprünglichen Bauausführung und den eingesetzten Materialien und Altersklassen sehr unterschiedlich ausfallen. Die Ursachen für Schäden können also durchaus vielfältig sein. Oft reichen die stetig steigende Verkehrsbelastung und Erschütterungen auf einer Straße, um im Untergrund Verformungen, Brüche oder Risse in Leitungen zu bewirken. Schon bei feinsten Öffnungen können Pflanzenwurzeln in einen Kanal eindringen und diesen mit der Zeit verschließen. Auch nachträgliche Bauarbeiten oberhalb von Leitungen können zu Schäden im bestehenden Leitungsnetz führen.
Werden Haushalte oder Betriebe nachträglich an das Netz angeschlossen, so muss auf bautechnisch einwandfrei ausgeführte Verbindungsstellen geachtet werden, sonst werden die Hauptleitungen mit der Zeit undicht. Wasserleitungen aus Metall können einer schleichenden Korrosion ausgesetzt sein und eine Betonauskleidung in einem Trinkwasserbehälter ist nach einigen Jahrzehnten mit hoher Wahrscheinlichkeit erneuerungsbedürftig. Im städtischen Umfeld führen Gebrechen an Hydranten, Schieber- und sonstigen Rohrnetzeinbauteilen zumeist aufgrund von Korrosion zu Schadensfällen. Und auch bei Kollisionen von Bauvorhaben wie zum Beispiel bei der Errichtung von Tiefgaragen oder bei Kanalverlegungen mit Wasserbestandsleitungen kann es zu Gebrechen im Trinkwassernetz kommen, weiß man bei den Innsbrucker Kommunalbetrieben.
Neue Zeiten - neue Technik
Um genau zu wissen, wie viel und wo in die Erneuerung investiert werden muss, sollten die Netzbetreiber in regelmäßigen Abständen einen Blick in ihre Systeme werfen, rät Stefan Wildt. Kanäle werden dazu mit Kamera-Robotern bzw. Sonden befahren. Meter für Meter wird der Zustand erfasst, elektronisch ausgewertet und in speziellen Datenbanken dokumentiert. Wasserleitungen können aufgrund des Innendrucks und der strengen Hygienestandards nur von außen untersucht werden. Hierfür werden Druckmessungen über bestimmte Leitungsstrecken oder Untersuchungen durch Abhören der Leitung angewandt.
Vor allem in den letzten 20 bis 30 Jahren ist der Ersatz von Anlagen infolge Überalterung maßgeblich. Beim Hochbehälterbau kommt wasserdichter Stahlbeton zum Einsatz, bei kleineren Behältern und Quellstuben ersetzt Kunststoff sehr häufig den früher verwendeten Beton. Auch bei Transport- und Verteilleitungen kommt vermehrt Kunststoff als Ersatz für metallische Leitungen zum Einsatz. Das Innsbrucker Haupt- und Versorgungsleitungsnetz besteht zum überwiegenden Teil aus dem Werkstoff Guss (Grauguss und Sphäroguss). Seit einigen Jahren werden bei der Neuverlegung von Haupt- und Versorgungsleitungen Rohrleitungen aus Polyethylen eingebaut und bei Hausanschlussleitungen werden seit ca. 15 Jahren ausschließlich Rohre aus dem Werkstoff Polyethylen verwendet.
Investitionsbedarf
An geplanten Investitionen für die Jahre 2012 bis 2021 haben die Tiroler Gemeinden und Verbände im Rahmen der Investitionskostenerhebung 2012 unter anderem gemeldet, dass für Abwasserbeseitigungsanlagen etwa 460 Millionen Euro und für die Wasserversorgungsanlagen circa 280 Millionen Euro notwendig sein werden. Das bedeutet für den gesamten Erhebungszeitraum einen durchschnittlichen jährlichen Investitionsbedarf in Höhe von rund 74 Millionen Euro für Maßnahmen der kommunalen Siedlungswasserwirtschaft in Tirol, wobei sich Neubau und Sanierung insgesamt etwa die Waage halten. Der Investitionsbedarf je Einwohner liegt für Wasserversorgungsanlagen zwischen ca. 260 und über 600 Euro, für Abwasser-entsorgungsanlagen zwischen rund 280 und 2.000 Euro. Von der Stadt Innsbruck werden jährlich rund fünf Millionen Euro für die Erneuerung und Erweiterung des Trinkwassernetzes aufgewendet.