Ein entscheidender Faktor für die europäische Wirtschaft ist der Verkehr. Er gewährleistet, dass Waren und Personen von einem Punkt zum anderen gelangen. Bis 2050 wird der Verkehr in Europa gewaltig zunehmen und den Kontinent vor große Herausforderungen stellen. Von Agnes Kern
Laut Prognosen wird der Güterverkehr in den kommenden Jahrzehnten um rund 80 Prozent, der Personenverkehr um 50 Prozent zunehmen. Die Weichen müssen aber bereits jetzt gestellt werden, damit der Verkehr in Europa in Zukunft weiter fließen kann. Das ist auch das Ziel der neuen EU-Infrastrukturpolitik. Sie möchte ein leistungsfähiges, europäisches Verkehrsnetz schaffen, das alle 28 Mitgliedstaaten einschließt und Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit fördert. Insbesondere soll das nach wie vor fragmentierte Verkehrsnetz zu einem wirklich europäischen Netz zusammengeführt werden, um den Osten und Westen Europas zu verbinden. Dafür stellt die EU einen neuen Topf bereit.
Dazu Siim Kallas, Vizepräsident der Kommission und zuständig für Verkehrsfragen: "Gute Verkehrsverbindungen sind entscheidend für eine effiziente europäische Wirtschaft. Daher sind Investitionen im Verkehrsbereich zur Konjunkturbelebung wichtiger denn je, zumal Wachstum und Wohlstand nur in Gebieten mit einer guten Verkehrsanbindung möglich sind. Die Mitgliedstaaten sollten diese Gelegenheit, EU-Fördermittel zu beantragen, nicht verstreichen lassen. Denn so können sie ihre Verkehrsanbindung verbessern, ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken und ihren Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen schnellere und bessere Verkehrsverbindungen bieten."
Förderungen verdreifacht
Im Zeitraum 2014-2020 wurden hierfür die zur Verfügung stehenden Mittel auf 26 Mrd. Euro angehoben und die Verkehrsförderung auf ein eng begrenztes Kernnetz neu ausgerichtet. Damit Unternehmen und Reisende in Hinkunft gut vorankommen, muss die bestehende Infrastruktur modernisiert und der grenzüberschreitende Verkehr flüssiger gestaltet werden. Die Mittel sind sowohl in den Mitgliedstaaten und als auch bei den Interessensträgern knapp. Um sie ergebnisorientiert bündeln zu können, legte die EU Kommission neun Hauptverkehrskorridore fest. Das neue TEN-V-Kernnetz stützt sich dabei auf ein Gesamtnetz von Zubringern auf regionaler und nationaler Ebene. Angestrebt wird, dass schrittweise bis 2050 die meisten Bürger und Unternehmen in Europa nicht mehr als 30 Minuten benötigen, um zu diesem Gesamtnetz zu gelangen. Außerdem soll das neue Verkehrsnetz verkehrssicherer und weniger stauanfällig sein und damit ein reibungsloseres und schnelleres Reisen ermöglichen. Erreicht werden soll dieses Ziel insbesondere durch die Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger.
Bislang gelang diese Verknüpfung aber nur bruchstückhaft. Nach wie vor sind viele Güterterminals, Personenbahnhöfe, Binnen-, See- und Flughäfen sowie städtische Knoten dieser Aufgabe nicht gewachsen. Sie verfügen nicht über die Kapazitäten, um das Potenzial eines "multimodalen" Verkehrs voll auszuschöpfen. Des Weiteren haben die Mitgliedstaaten nach wie vor unterschiedliche Betriebsvorschriften und Anforderungen, die ebenfalls erhebliche Hemmnisse und Engpässe in den Verkehrsinfrastrukturen verursachen. Eine zusätzliche Herausforderung betrifft die Umwelt: Der Verkehr ist nach wie vor einer der größten Produzenten von Treibhausgasemissionen, die mithilfe der Investitionen bis 2050 um 60 Prozent gesenkt werden sollen.
Österreich liegt im Herzen
Drei der neun Korridore des Kernnetzes verlaufen durch unser Land. "Österreich wird von der neuen "Connecting Europe Facility"-Verordnung (CEF) enorm profitieren, da der europäische Schwerpunkt vor allem auf dem Aufbau der Kernnetze liegt. Drei dieser Korridore, die Donauachse, die Brennerachse und die Baltisch-Adriatischen Achse, führen durch Österreich und haben damit die Chance von EU-Seite mitfinanziert zu werden. Besonders für die Aufnahme der Baltisch-Adriatischen Achse mit unserer Südstrecke haben wir uns jahrelang eingesetzt", freut sich Infrastrukturminister Alois Stöger. "Erfreulich ist auch, dass die EU die Ko-Finanzierung für den Schienenausbau von acht auf knapp 15 Milliarden Euro im Budget 2014 bis 2020 aufgestockt hat. Darüber hinaus wurden die Ko-Finanzierungssätze für Schiene als auch für die Binnenwasserstraße auf 30 bzw. 40 Prozent angehoben. Ein klares Signal für die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger und ein Bekenntnis zu notwendigen Investitionen." Der erste CEF-Förderaufruf Verkehr wurde im September 2014 gestartet. Die Frist zur Einreichung der Projekte läuft bis Ende Februar 2015. Österreich plant insbesondere Projekte auf der Brennerachse - im Speziellen den Brenner-Basis-Tunnel - und der Baltisch-Adriatischen-Achse, zum Beispiel den Semmering Tunnel, die Koralmbahn und die Pottendorfer Linie, einzureichen. Die Details werden derzeit zwischen den Projektträgern und dem Verkehrsministerium abgestimmt.
Foto Alois Stöger, Bildnachweis: bmvit/Elisabeth Grebe
Foto Siim Kallas, Bildnachweis: EU/Etienne Ansotte