Ungerechtigkeit des Steuersystems bleibt bestehen, von Ökologisierung keine Spur
"Es wird nichts für die Umwelt getan, Frauen werden benachteiligt und die untersten Einkommen nicht ausreichend entlastet. Umwelt, Frauen und NiedrigverdienerInnen sind die Verlierer der rot-schwarzen Einigung", stellt Eva Glawischnig, Bundessprecherin und Klubobfrau der Grünen, nach der heutigen gemeinsamen ORF-Pressestunde von Kanzler und Vizekanzler, fest. "Notwendig wäre, dass die Regierung sofort an einer echten Steuerstrukturreform zu arbeiten beginnt, die umwelt- und klimagerecht ist, den Faktor Arbeit auf Dienstgeberseite entlastet und einen Beitrag zur Verkleinerung der Einkommensschere zwischen Frauen und Männern leistet", so Glawischnig.
"Die rot-schwarze Einigung ist keine Steuerreform, sondern eine Tarifanpassung, die bestenfalls die kalte Progression ausgleicht. Eine Umsteuerung zugunsten der Umwelt findet gar nicht statt. Dementsprechend ist bezeichnend, dass die Worte Umwelt und Ökologisierung in der gesamten Pressestunde kein einziges Mal fielen. Die Ungerechtigkeit des Steuersystems bleibt bestehen, denn die großen Finanzvermögen, Millionenerbschaften und die Privatstiftungen bleiben unangetastet", so Glawischnig.
Tarifanpassung der Regierung führt zu weniger sozialer Gerechtigkeit
Nach der gestrigen Jubelstimmung von SPÖ und ÖVP über die Einigung auf eine Tarifanpassung ist es Zeit einen nüchternen Blick auf die Verteilungseffekte zu werfen, um Gewinner und Verlierer auszumachen. Bruno Rossmann, Budgetsprecher der Grünen, kommt in seiner Analyse des neuen Tarifs zum ernüchternden Ergebnis: "Die soziale Schieflage verschärft sich. Die größte Entlastung erfährt die Mittelschicht. Niedrige Einkommen und damit Frauen profitieren nur unterdurchschnittlich. Gewinner sind die Superreichen und Stiftungsmilliärdäre".
"Es ist zwar grundsätzlich positiv zu bewerten, dass auch die Einkommen unterhalb der Lohnsteuerpflicht von 11.000 Euro über eine Negativsteuer in die Entlastung miteinbezogen werden, dennoch profitieren entgegen den Jubelmeldungen vieler SPÖ-Politiker die niedrigen Einkommen nur unterdurchschnittlich. Die größte Entastung erfährt die Mittelschicht bei Bruttoeinkommen von knapp über 3.000 Euro monatlich, und selbst die hohen Einkommen profitieren stärker als der Niedrigeinkommensbereich", so Rossmann.
Während sich das mittlere Nettoeinkommen für Frauen gerade mal um 2,4 Prozent erhöht, steigt jenes für Spitzenverdiener wie etwa Nationalratsabgeordnete um 3,3 Prozent. "Das ist vor dem Hintergrund der sich öffnenden Schere zwischen den niedrigen und hohen Einkommen beschämend. Gerade zu lächerlich ist die Erhöhung des höchsten Steuersatzes für 416 Einkommensmillionäre", kritisiert Rossmann. Weiters führt der neue Tarif dazu, dass die Verteilung innerhalb der Frauen deutlich ungleicher wird als jene unter Männern. Vom gesamten Entlastungsvolumen entfällt nur etwas mehr als ein Drittel auf Frauen. Rossmann: Die soziale Schieflage verschärft sich also. Einmal mehr muss zudem die Mittelschicht herhalten, um die Superreichen vor einem substanziellen Beitrag zur Finanzierung der Tarifanpassung zu schützen. "Österreich bleibt also ein Paradies für Vermögende. Es ist hoch an der Zeit, das ungerechte Steuersystem gerade zu rücken", so Rossmann.
Falsches Steuerpaket wird Sparpakete in den Ländern und Gemeinden auslösen
"Mit dem rot-schwarzen Paket werden Länder und Gemeinden - auch angesichts der Zusatzbelastungen aus der Umsetzung des Stabilitätspaktes - gezwungen sein, ab 2016 umfassende Sparpakete zu schnüren. Das wird zu starken Kürzungen bei den Ermessensausgaben führen. Darin enthalten sind Investitionen in Bildung, Arbeitsmarkt, Energiewende - alles Budgetausgaben, die zum Gutteil nicht in Pflichtausgaben festgeschrieben sind. Die Bürger werden sich ihre Steuerreform also selbst bezahlen, was in die linke Hosentasche reinkommt, wird aus der rechten Hosentasche entfernt. Zu den Kosten der Steuerreform kommen nämlich auch noch die Kürzungen zum Erreichen einer Null-Neuverschuldung und der Konjunkturschwäche geschuldete Mehrausgaben - in Summe ein dreistelliger Millionenbetrag", kritisiert der Spitzenkandidat der Grünen OÖ für die LTW 2015 LR Rudi Anschober.
Unmittelbar nach Bekanntgabe des Steuerpakets haben nun auch namhafte Experten und ExpertInnen aufgezeigt, dass die von Minister Schelling im Bereich der Gegenfinanzierung veranschlagten Summen, keinem Praxistest standhalten. Vor allem bei den Bereichen Betrugsbekämpfung und Mehreinnahmen durch Konjunktureffekte droht - im Worst Case dieser Erstbewertungen - eine zusätzliche Lücke von deutlich mehr als einer Milliarde, am stärksten 2016. Oberösterreich wird die Steuerreform nach den vorliegenden Berechnungen 40 Mio. Euro pro Jahr kosten, die OÖ. Gemeinden weitere 20 Mio. 2016 wird das deutlich mehr sein. Und sollte die Gegenfinanzierung tatsächlich wie von vielen Experten weitaus nicht ausreichen, dann könnte sich dieser Betrag sogar verdoppeln. "Wird dieses massive Finanzierungsloch ignoriert und platzt diese Seifenblase im nächsten Jahr tatsächlich, dann verschärft sich der Sparzwang für das Land OÖ und die Gemeinden massiv. Und stürzt das fragile Gebäude der Gegenfinanzierung in sich zusammen, so wird auch der Spielraum für Zukunftsinvestitionen für Jahre darunter begraben", warnt Rudi Anschober.
Anschober kritisiert auch die grundsätzliche Schieflage dieser sogenannten Steuerreform: "Bundeskanzler und Finanzminister werden 2.300 Euro pro Jahr mehr am Gehaltszettel haben, eine vollbeschäftigte Billa-Verkäuferin gerade mal 370 Euro, eine Mindestpensionistin bis zu 110 Euro. Die großen Finanzvermögen, Millionenerbschaften und die Privatstiftungen bleiben unangetastet, Österreich bleibt ein Steuerparadies für Superreiche. Gerechtigkeit schaut anders aus".