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Innerhalb weiter Kreise der österreichischen Gesellschaft sind Verunsicherung und innere Emigration zu beobachten. Die Suche nach Halt und Orientierung wird mehr und mehr zu einem zentralen Anliegen. Sicherheit und Geborgenheit finden immer mehr Menschen in Rückzug und Abgrenzung. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie von INTEGRAL und groupm zu den Sinus-Milieus® und zu den neuesten gesellschaftlichen Entwicklungen.
Einer der Haupttrends ist: Die aktuellen Erfahrungen verstärken das Bedürfnis nach Planbarkeit, Gemeinschaft, Geborgenheit und nationaler Identität. Selbstverwirklichung im kleinen, überschaubaren Kreis und Abwehr der Gefahren von außen sind für viele zum Leitmotiv geworden. Diese Entwicklungen zeigen ihre Auswirkungen in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Daher ist das Wissen um Lebenswelten (Milieus) und deren Veränderungen für den öffentlichen wie auch den ökonomischen Bereich essentiell.
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2011 hat INTEGRAL das aktuelle Modell der Sinus-Milieus® präsentiert. Vier Jahre danach wurden in einer groß angelegten Studie Informationen zu den Milieus aktualisiert und vertieft. In diesem Zusammenhang wurden auch die aktuellen Lebensorientierungen und Werte der Österreicher untersucht. Dabei zeigt sich eine klare Haupttendenz: der Wunsch nach Halt und Sicherheit in der Bevölkerung ist deutlich gestiegen. 2011 waren es noch 53 Prozent der österreichischen Bevölkerung, die der Aussage „Ich suche Halt im Leben“ zustimmten. Dieser Anteil ist 2015 um 9 Prozentpunkte gestiegen. Bei den unter 30-jährigen sind es aktuell gar 68 Prozent (+14 Prozentpunkte), die angeben, nach Halt zu suchen. |
Getrieben wird diese Entwicklung einerseits durch Ängste, die durch die Krisen des letzten Jahrzehnts (9/11, Internetblase, Wirtschafts- und Finanzkrise, Griechenland, aktuell die Flüchtlingskrise) hervorgerufen und medial (Social Media!) noch fokussiert und verstärkt wurden. Anderseits fühlen sich Menschen zunehmend überfordert von Reizüberflutung, steigenden Anforderungen am Arbeitsplatz und vielem mehr.
Die Folgen sind empirisch klar nachweisbar: Immer mehr Österreicher und Österreicherinnen wenden sich dem Vertrauten und Heimischen zu, Traditionen erfreuen sich zunehmendem Zuspruch: So wird beispielsweise die Aussage „Volksmusik und Trachten finde ich einfach schön“ in der aktuellen Studie von 69 Prozent der Österreicher bejaht, um 7 Prozentpunkte mehr als 2011; in der Zielgruppe der unter 30-jährigen ist die Zustimmung im gleichen Zeitraum sogar um 20 Prozentpunkte auf 53 Prozent angestiegen. Gleichzeitig wächst der Stolz auf die österreichische Kultur.
Selbstverwirklichung im kleinen, überschaubaren Rahmen und Abgrenzung nach außen ist das gängige Leitmotiv. Auffällig ist etwa, dass die Bereitschaft für Auslandsaufenthalte bei den unter 30-jährigen stark zurückgegangen ist, von 78 Prozent im Jahr 2001 auf 59 Prozent 2011 und aktuell auf 51 Prozent.
Allerdings - auch an diesen Trends zeigt sich die Vielfalt verschiedener Lebenswelten: Sie sind in den beiden „Zukunftsmilieus“, also jenen Sinus-Milieus®, die in den nächsten Jahren zahlenmäßig am stärksten wachsen werden, unterschiedlich ausgeprägt: Während im Milieu der anpassungsbereiten, sicherheitsorientierten Adaptiv-Pragmatischen (12 % der Bevölkerung) die beschriebenen Tendenzen zu Rückzug und Abgrenzung klar erkennbar sind, manifestieren sie sich kaum unter den Digitalen Individualisten (8 %), die aktiv mit den Herausforderungen der Krise umgehen.
Diese beiden jungen Milieus, die so gar nicht auf den einfachen Nenner einer „Generation Y“ zu bringen sind, stehen auch für unterschiedliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen. So wird etwa der Trend zu regionalen Produkten und zu Tracht und volkstümlicher Musik stark von den Adaptiv-Pragmatischen befördert. Dagegen stehen die Digitalen Individualisten für hohe Erwartungen an teure Premiummarken oder für M-Commerce, E-Voting und Smart City.