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Mehr und nicht weniger Europa 

Eines der wichtigsten Ziele der Europäischen Union ist die Vollendung eines gemeinsamen europäischen Binnen- markts – auch im Energiebereich. Dieses Ziel wird aber nur gemeinsam erreicht werden können.

Deutschland treibt die Energiewende voran. Doch während der Norden unseres großen Nachbarn ständig neue Ausbauprojekte feiert, fehlt anderswo die strombringende Infrastruktur. Insbesondere gibt es zu wenige Leitungen Richtung Süden, um die erzeugten Kapazitäten abtransportieren zu können. Der überschüssige grüne Strom kann derzeit nicht gespeichert und die Energiemengen vor Ort auch nicht verbraucht werden. „Der Netzausbau entwickelt sich zunehmend zum Flaschenhals der Energiewende, da er mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien nicht Schritt halten kann“, sagt Fritz Horst Melsheimer, Vorsitzender der IHK Nord, dem Zusammenschluss von 13 norddeutschen Industrie- und Handelskammern. Sowohl für Nord- als auch für Süddeutschland hat das gravierende Folgen. „Da die Stromnetze auf einen vermehrten Abtransport bisher nicht ausgelegt sind, müssen die Netzbetreiber immer öfter Windenergieanlagen abregeln, um Überlastungen zu vermeiden“, so Melsheimer.

Die mangelnde Infrastruktur kommt die Verbraucher mittlerweile teuer zu stehen: 2014 kosteten die Notmaßnahmen zur Regulierung bereits über 300 Mio. Euro. Beim Stromnetzausbau geht es deshalb nicht nur darum, mehr Windstrom aus dem Norden nutzen zu können, sondern auch eine Aufspaltung der Preiszonen abzuwehren, die Strom wieder teurer machen würde. Außerdem macht Strom nicht an den Grenzen halt. Ungehindert fließt er weiter nach Polen und Tschechien, überlastet dort die Leitungsnetze und erregt zu Recht den Unmut dieser EU-Nachbarstaaten, die ebenfalls mit kostspieligen Netzstabilisierungen gegensteuern müssen.

Ende der D-A-Strompreiszone?

Eine Aufforderung der polnischen Regulierungsbehörde führte daher zur jüngsten Empfehlung der EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER), die einheitliche deutsch-österreichische Strompreiszone zu trennen, und machte damit das innerdeutsche Problem auch zu einem österreichischen. Dies wird aber nicht nur hierzulande als ein Rückschritt für den europäischen Strombinnenmarkt gesehen. Experten sind sich in diesem

Punkt relativ einig: Um sicheren, bezahlbaren und umweltverträglichen Strom zu gewährleisten, muss die einheitliche Preiszone Deutschland-Österreich erhalten bleiben. „Die europäischen Stromnetzbetreiber schaffen mit ihrer Infrastruktur die physische Grundlage für die Verwirklichung des europäischen Strommarkts. Sie unternehmen große Anstrengungen, um die nationalen Märkte aneinander heranzuführen. Sie haben gemeinsame Standards für die Ausgestaltung und die Sicherheit der Systeme erarbeitet, die Kooperation über die nationalen Grenzen hinweg in allen Bereichen verstärkt“, heißt es dazu beispielsweise in einer Aussendung der Austrian Power Grid (APG).

Europäische Lösung muss her

Wie bei vielen europäischen Problemen zeigt sich auch beim Strommarkt, dass die heutigen Herausforderungen nicht auf nationaler Ebene alleine gelöst werden können. Es bedarf einer koordinierten europäischen Lösung. Ziel der geplanten Europäischen Energieunion ist es, nicht nur einen vollständig integrierten Energiebinnenmarkt zu schaffen, sondern auch die Energiesicherheit in Europa zu erhöhen, die Energieeffizienz zu steigern, und dabei gleichzeitig auf eine CO2-arme Wirtschaft umzustellen sowie Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit voranzutreiben.


Ein Symbol für die gute Zusammenarbeit mit der EU-Ebene und als süße Erinnerung an einen intensiven Arbeitstag zum Thema Energieunion: eine österreichische Sachertorte mit EU-Glasur, die Sefcovic und sein Team während ihres letzten Wien-Aufenthalts von der Industriellenvereinigung überreicht bekamen.

„Energie soll frei über Grenzen hinweg fließen können“, so der zuständige Kommissar Maroš Šefcovic. Das Paket, das dies ermöglichen soll, wurde im Februar 2015 von der EU-Kommission angenommen. Am 22. September warb er denn auch in Österreich dafür und traf Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner, um mit ihm die Herausforderungen und Chancen der geplanten Energieunion für Österreich zu besprechen. Aber auch Vertreter des Parlaments, der Sozialpartner sowie der Wirtschaft waren Teil seiner Agenda. „Die Energieunion soll mehr Versorgungs-sicherheit, Wettbewerb und Solidarität in der europäischen Energiepolitik bringen. Österreich wird seine Stärken in allen relevanten Punkten einbringen“, sagte Mitterlehner im Anschluss an das Gespräch. Zusätzlich zur sicheren Versorgung ging es auch darum, erneuerbare Energie zu fördern und den Bedarf an Energie durch intelligente Effizienzmaßnahmen zu reduzieren.

Maroš Šefcovic und Reinhold Mitterlehner
Bildnachweis: BMWFW/Franz Hartl

Besuch des für die Energieunion zuständigen Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Maroš Šefcovic.
Linke Seite: Österreichische Delegation mit dem Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf (V) (1.v.li.) - Rechte Seite: EU-Delegation mit dem für die Energieunion zuständigen Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Maros Sefcovic (2.v.re.)
Bildnachweis: Parlamentsdirektion / BKA / Regina Aigner

Der am folgenden Tag veröffentlichte Bericht von ACER sorgte in Österreich für breite Verstimmung, denn er empfahl genau das Gegenteil, nämlich die Teilung der bewährten deutsch-österreichischen Strompreiszone. „Wenn die politischen Handlungsträger diese Empfehlung aufgreifen, entfernen wir uns völlig vom Ziel einer integrierten Energieunion“, so Stephan Schwarzer, Leiter der WKÖ-Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik. Die Lösung des Problems kann langfristig gesehen nur in einem Ausbau der europaweiten Netzinfrastruktur liegen, denn in den fehlenden Nord-Süd-Leitungen innerhalb Deutschlands liegt der eigentliche Kern des Problems. „Die europäische Stromversorgung kann nur langfristig und nachhaltig auf erneuerbare Energieträger umgestellt werden, wenn die Versorgungsstrukturen und Systeme in ganz Europa umgebaut werden“, so auch die APG. Dass dies nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist, liegt auf der Hand, aber die Weichen dorthin sollten möglichst bald gestellt werden, damit die von Vielen herbeigesehnte grüne Energiewende Europa nicht im Dunklen zurücklässt.

 

Weitere Infos:

Blog des Vize-Präsidenten Maroš Šefcovic verantwortlich für die Energieunion

Stellungnahmen aus der Politik:

Mitterlehner: Österreich bringt sich bei EU-Energieunion aktiv ein 

Mitterlehner für Beibehaltung der Strompreiszone mit Deutschland 

WKÖ-Schwarzer zu deutsch-österreichischer Strompreiszone: Europäische Regulatoren konterkarieren Energiebinnenmarkt 

Strompreiszonenteilung: AK warnt vor höheren Haushaltspreisen

SPÖ-Katzian warnt vor höheren Strompreisen 

Lettenbichler: Aufbrechen der gemeinsamen Strompreiszone mit Deutschland würde hunderte Millionen Euro jährlich kosten

Stellungnahmen aus der Wirtschaft:

Österreichs E-Wirtschaft kämpft für Erhaltung der Preiszone mit Deutschland 

APG: Strommarkt-Trennung DE-AT wäre Rückschritt für Europa

EAA-Energie Talk: Gemeinsame Preiszone Deutschland-Österreich vor dem Aus?

 

Lesen Sie auch, was der Ausschuss der Regionen zur Energieunion sagt.