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Frisches Geld

public wollte wissen, wo die EU Kommission die Knackpunkte in Österreich und in Europa sieht und worauf es jetzt ankommt. Ein Gespräch mit Marc Fähndrich, dem Berater für wirtschaftspolitische Koordinierung in der Österreich-Vertretung der EU-Kommission.
Interview: Agnes Kern

public: Eines der großen Themen in Österreich, aber sicher auch europaweit, ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Was kann die EU Kommission dazu beitragen?

Marc Fähndrich: Wir schauen uns an, was in der Digitalisierung an Möglichkeiten steckt, hier möchten wir Schranken zwischen den Mitgliedstaaten abbauen. Dann müssen wir in Europa auch wieder eine Re-Industrialisierung hinbekommen. Wir möchten auch die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern. Hierdurch steigen die Exportchancen für Österreichs Industrie. Wir brauchen auch ein besseres Bildungssystem, denn qualifizierte Leute bekommen bessere Jobs und sind auch in der Lage, selbst ein Unternehmen zu gründen. Denn Arbeit gibt es genug.

 

public: Aber es fehlen die großen Perspektiven.

Fähndrich: Unsere große Perspektive ist: Wir müssen mehr investieren. Es stimmt, auf der einen Seite haben wir auch die Grenzen durch den Stabilitätspakt. Viele meinen, wenn wir dieses enge Korsett auflösen und investieren, sind wir die Sorgen los. Auf der anderen Seite haben wir aber auch in der Krise gesehen, dass es dafür Grenzen gibt. Irgendwann, wenn die Staatsschuld eine gewisse Schwelle übersteigt, haben die Investoren das Gefühl, dass sie ihr Geld nicht mehr zurückbekommen – wie eben bei der Hypo Alpe Adria. D. h. es ist nicht unbegrenzt möglich, sich Geld zu leihen. Der Stabilitätspakt sagt Österreich schon seit Langem, dass es schwierig ist. Österreich hat eine Staatsverschuldung von 86 Prozent, das sind bereits 26 Prozent über dem Grenzwert. Österreich hat es jetzt gerade so geschafft seine budgetären Vorgaben einzuhalten. Aber da ist der Spielraum eigentlich schon dahin. Jetzt muss man andere dazu bringen zu investieren. Wir haben ganz viel Geld in Europa, das brach liegt. Es anzulegen macht momentan wenig Sinn.

 

public: Woher soll das Geld konkret dafür kommen?

Fähndrich: Wir haben kürzlich eine große Investitionsoffensive gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank beschlossen. Über den Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) möchten wir mindestens 315 Mrd. Euro zusätzliche Investitionen anregen.  Darüber hinaus möchten wir in Österreich Investitionshemmnisse durch bürokratische Strukturen abbauen.
Da die Banken Schwierigkeiten haben, innovative Projekte zu finanzieren , weil sie weniger Risikokapital vergeben können, möchten wir darüber hinaus private Finanzierungen erleichtern. Wir müssen einen einheitlichen Kapitalmarkt schaffen, damit es für Investoren einfacher ist Projekte direkt zu finanzieren. Schaffen wir doch Möglichkeiten, dass die, die mehr Rendite möchten und auch bereit sind ein höheres Risiko zu tragen, in zukunftsträchtige Projekte investieren können. Das Geld ist ja da, viele Stiftungen schwimmen im Geld.
Wenn es schief geht, gibt es nicht diese volkwirtschaftlichen Kettenreaktionen wie bei der Pleite einer Bank. Wir wollen ja auch nicht, dass der Steuerzahler wieder zum Handkuss kommt. Das Volumen, das die Republik in die Hypo Alpe Adria gesteckt hat, ist das einer Steuerreform. Das wollen wir kein zweites Mal sehen.

 

public: Sind sich die Unternehmen dieser Investitionsmöglichkeiten bewusst?

Fähndrich: Wir sind jetzt dabei den  EU-Investitionsplan oft auch "Juncker Plan" genannt zu kommunizieren. Hier möchten wir mit Multiplikatoren, wie der Wirtschaftskammer zusammenarbeiten. Über diese Investitionswelle würden wieder viele Jobs geschaffen werden. Ergänzend sind Strukturreformen notwendig, um finanzielle Mittel durch Effizienzgewinne zu erzielen, die auch für Investitionen und Innovationen zur Verfügung stünden.  

 

public: Was kann man sich darunter vorstellen?

Fähndrich: Über Garantien aus dem Juncker-Plan, das sind 21 Mrd., behält die EIB ihr AAA-Rating und damit günstige Refinanzierung. Sie kann dadurch 63 Mrd. an zusätzlichen Krediten mit einem höheren Risikoprofil vergeben. Das hat dann im Endeffekt einen fünffachen Hebel auf die Realwirtschaft, damit könnten wir mindestens 315 Mrd. an Investitionen auslösen, was zumindest etwas ist.
Ergänzend arbeiten wir daran, Ideen und Geld stärker zusammenzubringen. Es gibt auf der Homepage der EIB eine Plattform für Investitionsberatung, wo Investoren Hilfe bekommen können.

 

public: Von welchen Größenordnungen sprechen wir hier überhaupt? Was sind das für Projekte?

Fähndrich: Alle möglichen Projekte, große Projekte wie das Krankenhaus Nord in Wien (auf PPP Basis), das können aber auch kleine Projekte sein.

 

public: Ist das für KMUs nicht ein wahnsinniger Aufwand, an eine solche Förderung zu kommen?

Fähndrich: Das soll ganz einfach über Intermediäre, wie z. B. Banken die Garantien auf Kreditlinien erhalten, laufen. Das ist nicht das klassische EU-Projekt. EFSI für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) wird ähnlich wie z. B. COSME gestaltet sein. Somit möchen wir unbürokratisch Projekte fördern, die sonst nicht stattgefunden hätten. Da starten wir jetzt – der Fonds wurde ja erst im Juli beschlossen.

 

public: Wie stellen Sie sicher, dass das Geld auch tatsächlich ankommt?

Fähndrich: Wichtig ist auch, dass man in Nachhaltigkeit investiert und nicht in sinnlose Autobahnen ins Niemandsland, die die öffentlichen Haushalte noch mehr belasten. Wir wollen das Ganze so konstruieren, dass wir es auch unpolitisch halten. Die Projekte werden von einem Komitee bei der EIB auf ihre Nachhaltigkeit geprüft, damit Geld nicht irgendwohin fließt, wo es keinen langfristigen Effekt hat. Und das Komitee ist bewusst nicht von Politikern besetzt, sondern von Experten, damit Projekte eben nicht aus wahltaktischen Gründen erfolgen. Das war in der Vergangenheit problematisch. Die Politik denkt ja leider immer nur bis zur nächsten Wahl.

 

public: Was haben wir noch an Möglichkeiten?

Fähndrich: Strukturreformen und ein investitionsfreundliches Klima schaffen und dann eben Investitionen fördern. Österreich ist europaweit nicht so betroffen, wie einige südliche Länder, wo die Jugendarbeitslosigkeit auf Dauer untragbar ist.

 

public: Wo sehen Sie als EU-Kommission die großen Brocken bei den Strukturreformen?

Fähndrich: Im Europäischen Semester gibt es dieses Jahr vier große Empfehlungen für Österreich: das Budget in Ordnung zu bringen, die Steuerreform budgetneutral zu finanzieren, das Pensionssystem nachhaltiger aufstellen, das effektive Pensionsalter hinaufzusetzen, die Frauenpensionen anzugleichen; das Potential von Frauen auch besser zu nutzen über bessere Kinder- aber auch Altenbetreuung, benachteiligte junge Menschen besser im Bildungssystem mitzunehmen, damit man sich zukünftige gesellschaftliche Probleme ersparen kann; Schranken für die Berufsausübung fallen zu lassen und interdisziplinäre Gesellschaften zu ermöglichen; den Finanzsektor reformieren, rechtzeitig Risikostrukturen bei den Banken zu erkennen, sprich die Schweizer Frankenkredite außerhalb Österreichs und das Ost-Exposure der österreichischen Banken.

 

public: Und wenn Sie an die Verwaltungsreform denken, was müsste hier geändert werden?

Fähndrich: Hier sind es insbesondere die komplexen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die für ein kleines Land wie Österreich sehr ineffizient sind. Die Doppelzuständigkeiten, die Inkongruenz in den Finanzbeziehungen. Wir können die Probleme aber nur adressieren. Jeder weiß, dass Änderungen notwendig sind, aber realpolitisch scheint es nicht machbar zu sein. Hier sollte man sinnvoller strukturieren.

 

Auszug aus den Empfehlunge des Rates vom 14. Juli 2015 zum nationalen Reformprogramm Österreichs 2015 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Österreichs 2015:

Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Ebenen des Staates sind nach wie vor komplex und führen in wesentlichen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zu Effizienzverlusten. Österreich gehört nach wie vor zu den Ländern, in denen auf regionaler und kommunaler Ebene die wenigsten Steuern (in Prozent des BIP) erhoben werden. Trotz dieser geringen Steuerautonomie sind die Gebietskörperschaften unterhalb der Bundesebene für verschiedene Ausgaben und Verwaltungsaufgaben zuständig. Die hohe Komplexität und die Inkongruenz zwischen Einnahmen- und Ausgabenzuständigkeit sind der Umsetzung umfassender politischer Reformen nicht förderlich.

EMPFIEHLT, dass Österreich 2015 und 2016:

1. Maßnahmen trifft, um eine Abweichung vom mittelfristigen Haushaltsziel in den Jahren 2015 und 2016 zu vermeiden; die Budgetneutralität der Steuerreform, mit der die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit verringert werden soll, sicherstellt; der Inkongruenz zwischen der Finanzierung der verschiedenen staatlichen Ebenen und deren Ausgaben abhilft; Maßnahmen trifft, um die langfristige Tragfähigkeit des Pensionssystems sicherzustellen, und zu diesem Zweck u. a. das gesetzliche Pensionsalter für Frauen und Männer früher harmonisiert und das gesetzliche Pensionsalter an die Lebenserwartung koppelt;

2. die Maßnahmen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von älteren Arbeitnehmern und Frauen verstärkt und zu diesem Zweck u. a. verstärkt Kinderbetreuungs- und Langzeitpflegedienste bereitstellt; Maßnahmen trifft, um die Bildungsergebnisse benachteiligter junger Menschen zu verbessern;

3. Maßnahmen trifft, um die unverhältnismäßigen Schranken für Dienstleistungsanbieter und Hindernisse für die Gründung interdisziplinärer Unternehmen zu beseitigen;

4. Maßnahmen trifft, um die durch ausländische Risikopositionen und unzureichende Aktiva-Qualität bedingte potenzielle Anfälligkeit des Finanzsektors zu mindern.