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Verhaltenskodex zur Bekämpfung illegaler Hassrede im Internet

Die Kommission stellte Ende Mai zusammen mit Facebook, Twitter, YouTube und Microsoft (die „IT-Unternehmen“) einen Verhaltenskodex vor, der eine Reihe von Verpflichtungen zur Bekämpfung der Verbreitung von illegaler Online-Hetze in Europa enthält.

Die IT-Unternehmen unterstützen die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen, dafür zu sorgen, dass Online-Plattformen keine Möglichkeit dafür bieten, dass sich illegale Hassbotschaften im Internet verbreiten. Zusammen mit anderen Plattformanbietern und Betreibern sozialer Medien tragen sie eine gemeinsame Verantwortung für die Förderung der Meinungsfreiheit im Internet. Die Kommission und die IT-Unternehmen sind sich aber dessen bewusst, dass die Zunahme illegaler Hetze im Internet nicht nur auf Gruppen oder Einzelpersonen, gegen die sie gerichtet sind, negative Auswirkungen hat, sondern auch auf diejenigen, die sich in unserer offenen Gesellschaft für Freiheit, Toleranz und Nichtdiskriminierung einsetzen. Zudem beeinträchtigt sie den demokratischen Diskurs auf Online-Plattformen.

Zur Verhütung der Ausbreitung illegaler Hetze ist es von wesentlicher Bedeutung, dafür zu sorgen, dass die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in allen Mitgliedstaaten vollständig durchgesetzt werden, sowohl online als auch im Offline-Umfeld. Während die wirksame Anwendung der Vorschriften zur Kriminalisierung der Hassbotschaften von soliden strafrechtlichen Sanktionen gegen die Täter von Hassreden und ihrer Vollstreckung abhängig ist, müssen ergänzend Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen sollen, dass Online-Vermittler und Social-Media-Plattformen nach Eingang einer diesbezüglichen stichhaltigen Meldung innerhalb eines angemessenen Zeitraums auf Hassrede im Internet reagieren. Damit eine Meldung als stichhaltig gilt, sollte sie ausreichend genau und ausreichend begründet sein.

Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, erklärte hierzu: „Die jüngsten Terroranschläge haben uns vor Augen geführt, wie dringend gegen illegale Hetze im Internet vorgegangen werden muss. Die sozialen Medien gehören leider zu den Instrumenten, die terroristische Gruppen nutzen, um junge Leute zu radikalisieren, und die Rassisten nutzen, um Gewalt und Hass zu propagieren. Die Vereinbarung ist ein wichtiger Schritt, um zu gewährleisten, dass das Internet ein Raum für die freie und demokratische Meinungsäußerung bleibt, in dem die europäischen Werte und Gesetze geachtet werden. Ich begrüße die Zusage der weltweit tätigen IT-Unternehmen, die Mehrheit der stichhaltigen Anträge auf Entfernung illegaler Hasskommentare in weniger als 24 Stunden zu prüfen und diese erforderlichenfalls zu entfernen bzw. den Zugang dazu zu sperren."

Karen White, Europa-Leiterin für öffentliche Belange bei Twitter, bemerkte dazu: „Auf Twitter ist kein Platz für hassvolles Verhalten, und wir werden weiterhin gemeinsam mit unseren Partnern in der Branche und der Zivilgesellschaft dagegen vorgehen. Natürlich werden wir die Tweets weiter frei laufen lassen. Es gibt aber eine klare Unterscheidung zwischen dem Ausdruck der Meinungsfreiheit und Verhaltensweisen, die zu Gewalt und Hass aufstacheln. Im Zusammenspiel mit dem Vorgehen gegen hassvolles Verhalten, das gegen die Twitter-Regeln verstößt, werden wir auch die unglaublichen Möglichkeiten der Plattform nutzen, um positive Stimmen zur Geltung zu bringen, um so Vorurteile zu bekämpfen und die tieferen Ursachen für Intoleranz anzugehen. Wir freuen uns in dieser Sache auf einen weiteren konstruktiven Dialog mit der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten, unseren Partnern in der Zivilgesellschaft und unseren Mitspielern im Technologiesektor.“

Lie Junius, Direktor für öffentliche Belange und Behördenbeziehungen bei Google, sagte: „Wir sind entschlossen, den Menschen mit unseren Diensten Zugang zu Informationen zu verschaffen, aber illegale Hetze haben wir auf unseren Plattformen stets unterbunden. Wir haben effiziente Systeme, mit denen wir stichhaltige Meldungen in weniger als 24 Stunden prüfen und illegale Inhalte entfernen können. Wir freuen uns auf die gemeinsame Arbeit mit der Kommission an der Entwicklung von Ko- und Selbstregulierungskonzepten zur Bekämpfung von Online-Hetze.“

Monika Bickert, Leiterin für globales strategisches Management bei Facebook, äußerte sich wie folgt: „Wir begrüßen die heutige Ankündigung und sind froh, dass wir unsere Anstrengungen zur Bekämpfung von Hasskommentaren im Internet mit der Kommission und der Technologiebranche fortsetzen können. Mit einer weltweiten Gemeinschaft von 1,6 Milliarden Menschen arbeiten wir hart daran, dass man sich frei äußern kann, dies aber in einer respektvollen Atmosphäre geschieht. Wie wir in unseren Gemeinschaftsstandards klarstellen, gibt es auf Facebook keinen Platz für Hassrede. Wir fordern die Leute auf, unsere Möglichkeiten zur Meldung von Inhalten zu nutzen, die ihrer Meinung nach gegen unsere Standards verstoßen, damit wir sie prüfen können. Unsere Teams auf der ganzen Welt prüfen diese Meldungen rund um die Uhr und handeln dann schnell.“

John Frank, der für EU-Behördenangelegenheiten zuständige Vizepräsident von Microsoft, fügte hinzu: „Anstand und freie Meinungsäußerung sind uns wichtig, weshalb unsere Nutzungsbedingungen es verbieten, in von Microsoft beherbergten Verbraucherdiensten Gewalt und Hass zu propagieren. Wir haben kürzlich weitere Maßnahmen angekündigt, die speziell das Einstellen terroristischer Inhalte verbieten. Unsere Nutzer werden auch weiterhin die Möglichkeit haben, uns mitzuteilen, wenn sie der Meinung sind, dass gegen unsere Richtlinien verstoßen wird. Indem wir uns dem Verhaltenskodex anschließen, bekräftigen wir unser Engagement in dieser wichtigen Frage.“

Mit der Unterzeichnung dieses Verhaltenskodex verpflichten sich die IT-Unternehmen, weiterhin gegen illegale Hassrede im Internet vorzugehen. Dazu gehört die fortlaufende Entwicklung interner Verfahren und die Schulung von Mitarbeitern, damit die Mehrheit der stichhaltigen Anträge auf Entfernung illegaler Hasskommentare in weniger als 24 Stunden geprüft und diese erforderlichenfalls entfernt bzw. der Zugang dazu gesperrt werden kann. Die IT-Unternehmen werden sich außerdem um die Stärkung ihrer bestehenden Partnerschaften mit Organisationen der Zivilgesellschaft bemühen, die bei der Meldung von Inhalten helfen werden, mit denen zu Gewalt und Hass aufgerufen wird. Außerdem wollen die IT-Unternehmen und die Europäische Kommission ihre Arbeit zur Feststellung und Förderung eines unabhängigen Gegendiskurses sowie neuer Ideen und Initiativen fortsetzen und Bildungsprogramme, die zu kritischem Denken anregen, unterstützen.

Die IT-Unternehmen betonen zudem, dass der gegenwärtige Verhaltenskodex sowohl als Richtschnur für ihre eigenen Tätigkeiten als auch zum Austausch bewährter Praktiken mit anderen Internet- Unternehmen, Plattformen und Social-Media-Unternehmen dienen soll.

Der Verhaltenskodex enthält folgende Verpflichtungen:

-  Die IT-Unternehmen treten als Vorreiter bei der Bekämpfung der Verbreitung von illegaler Hetze im Internet auf und haben mit der Europäischen Kommission einen Verhaltenskodex mit folgenden öffentlichen Verpflichtungen
vereinbart:

-  Die IT-Unternehmen müssen klare und wirksame Verfahren für die Prüfung von Meldungen über illegale Hassreden in ihren Diensten einführen, um solche Inhalten zu entfernen oder den Zugang dazu zu sperren. Die IT-Unternehmen müssen über Regeln oder Community-Leitlinien verfügen, in denen klargestellt wird, dass die Aufstachelung zu Gewalt und aggressivem Verhalten verboten ist.

-  Nach Erhalt einer gültigen Meldung müssen die IT-Unternehmen derartige Anträge aufgrund ihrer Regeln und Community-Leitlinien und gegebenenfalls nationaler Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JHA mit eigens für diese Aufgabe eingerichteten Überprüfungsteams prüfen.

-  Die IT-Unternehmen müssen die Mehrheit der gültigen Meldungen in Bezug auf die Entfernung illegaler Hassreden in weniger als 24 Stunden prüfen und solche Inhalte entfernen oder den Zugang dazu sperren.

-  Zusätzlich zu den oben genannten Punkten müssen die IT-Unternehmen ihre Nutzer informieren und dafür sensibilisieren, welche Art von Inhalten nach ihren Regeln und Community-Leitlinien nicht erlaubt sind. Das Meldesystem könnte als Instrument dafür genutzt werden.

-  Die IT-Unternehmen müssen Informationen über die Verfahren für die Übermittlung von Meldungen – insbesondere in Bezug auf Meldungen über illegale Hassreden im Internet und deren Entfernung – bereitstellen, um die Geschwindigkeit und Effizienz der Kommunikation zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und den IT-Unternehmen zu verbessern. Die Informationen müssen über die von den IT-Unternehmen und den Mitgliedstaaten benannten nationalen Kontaktstellen laufen. Auf diese Weise könnten die Mitgliedstaaten und insbesondere deren Strafverfolgungsbehörden mehr Einblick in die Verfahren zur Erkennung und zur Meldung von Hassreden im Internet gewinnen.

-  Die IT-Unternehmen müssen die Bereitstellung von Meldungen und Kennzeichnung von Inhalten, die zu Gewalt und aggressivem Verhalten aufstacheln, durch Sachverständige fördern, insbesondere durch Partnerschaften mit Organisationen der Zivilgesellschaft, indem sie klar über einzelne Unternehmensregeln und Community-Leitlinien und Vorschriften über die Meldungs- und Benachrichtigungsverfahren informieren. Die IT-Unternehmen müssen sich durch die breite geografische Ausdehnung der Partnerschaften mit Organisationen der Zivilgesellschaft um die Stärkung solcher Partnerschaften bemühen und gegebenenfalls die Aus- und Weiterbildung fördern, um die Partnerorganisationen bei ihrer Rolle als „vertrauenswürdige Berichterstatter“ zu unterstützen – unter gebührender Berücksichtigung der Wahrung ihrer Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit.

-  Die IT-Unternehmen sind von der Unterstützung der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission abhängig, um den Zugang zu einem repräsentativen Netz von Partnerorganisationen und „ vertrauenswürdigen Berichterstattern“ in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen, die Meldungen mit der erforderlichen Qualität erstellen. Die IT-Unternehmen müssen Informationen über „ vertrauenswürdige Berichterstatter“ auf ihrer Website zur Verfügung stellen.

-  Die IT-Unternehmen müssen regelmäßige Schulungen über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen für ihr Personal anbieten und einen Meinungsaustausch über das Potenzial für weitere Verbesserungen führen.

-  Die IT-Unternehmen müssen die Zusammenarbeit untereinander und anderen Plattformen und Social-Media-Unternehmen intensivieren und den Austausch bewährter Verfahren verbessern.

-  In Anerkennung des Wertes eines unabhängigen Gegendiskurses gegen Vorurteile und hasserfüllte Rhetorik zielen die IT-Unternehmen und die Europäische Kommission darauf ab, ihre Arbeit zur Ermittlung und Förderung dieses Gegendiskurses sowie neuer Ideen und Initiativen fortzusetzen und Bildungsprogramme, die zu kritischem Denken anregen, zu unterstützen.

-  Die IT-Unternehmen müssen ihre Arbeit mit den Organisationen der Zivilgesellschaft intensivieren, um Schulungen zu bewährten Praktiken der Bekämpfung von Vorurteilen und hasserfüllter Rhetorik anzubieten, und ihre einzelfallunabhängigen Kontakte zu zivilgesellschaftlichen Organisationen stärken, um diesen dabei zu helfen, wirksame Gegenkampagnen zu initiieren. Die Europäische Kommission muss in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zu diesen Bemühungen beitragen, indem sie die speziellen Bedürfnisse und Forderungen der zivilgesellschaftlichen Organisationen feststellt.

-  Die Europäische Kommission sollte in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten auch bei anderen Plattformen und Social-Media-Unternehmen die Einhaltung der in diesem Verhaltenskodex enthaltenen Zusagen bewerben.

Die IT-Unternehmen und die Europäische Kommission vereinbaren, die in diesem Verhaltenskodex festgelegten Verpflichtungen und ihre Wirkung regelmäßig zu überprüfen. Sie kommen ferner überein, weiter miteinander zu erörtern, wie Transparenz, Gegenmaßnahmen und Alternativbotschaften weiter gefördert werden können. Zu diesem Zweck finden regelmäßige Zusammenkünfte statt, und der hochrangigen EU-Gruppe zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und anderen Formen der Intoleranz wird bis Ende 2016 Bericht erstattet.

Hintergrund

Die Kommission setzt sich gemeinsam mit den Betreibern sozialer Medien dafür ein, dass gegen Hetze im Internet in gleichem Maße vorgegangen wird wie gegen Hetze in anderen Medien.

Auf der Grundlage der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Artikel 14) wurden Verfahren zur Entfernung solcher Inhalte eingeführt, eine detaillierte Regelung hierfür enthält die Richtlinie jedoch nicht. Ein solches Verfahren beginnt, wenn jemand einem Hosting-Anbieter – dies kann z. B. ein soziales Netzwerk, eine Internet-Verkaufsplattform oder ein Hosting-Anbieter für Websites sein – illegale Inhalte im Internet meldet (z. B. rassistische Inhalte, Kinderpornografie oder Spam), und endet, wenn der Hosting-Anbieter gegen die illegalen Inhalte vorgeht.

Im Anschluss an das EU-Grundrechtekolloquium vom Oktober 2015 zum Thema „Toleranz und Respekt: Prävention und Bekämpfung von antisemitisch und antimuslimisch motiviertem Hass in Europa“ hat die Kommission einen Dialog mit IT-Unternehmen in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft eingeleitet, um zu ermitteln, wie am besten gegen illegale Äußerungen im Internet vorgegangen werden kann, mit denen zu Gewalt und Hass aufgestachelt wird.

Die jüngsten Terroranschläge und die Nutzung sozialer Medien durch terroristische Gruppen zur Radikalisierung junger Menschen machen die Bewältigung dieses Problems umso dringlicher.

Die Kommission hat bereits im Dezember 2015 das EU-Internetforum ins Leben gerufen, um die Öffentlichkeit vor der Verbreitung terroristischen Materials und vor der Nutzung der Kommunikationskanäle durch Terroristen zur Erleichterung und Steuerung ihrer Aktivitäten zu schützen. In der Gemeinsamen Erklärung, die auf der außerordentlichen Tagung des Rates (Justiz und Inneres) nach den Terroranschlägen in Brüssel abgegeben wurde, wurde die Notwendigkeit betont, die Arbeiten in diesem Bereich voranzutreiben und einen Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Hassrede im Internet zu vereinbaren.

Gemäß dem Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gilt insbesondere die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe als Straftat. Dies ist die Rechtsgrundlage für die Definition illegaler Inhalte im Internet.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung gehört zu den zentralen europäischen Werten, die geschützt werden müssen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die wichtige Unterscheidung zwischen Inhalten gemacht, die „den Staat oder eine Gruppe der Bevölkerung beleidigen, schockieren oder verstören“, und Inhalten, die eine tatsächliche und ernsthafte Aufstachelung zu Gewalt und Hass darstellen. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass Staaten Letzteres verbieten und unter Strafe stellen dürfen.

Weitere Informationen:

Verhaltenskodex

Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit