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Den digitalen Wandel meistern

Österreich hat sich ein wichtiges Ziel gesteckt. Bis 2020 will es Teil der Gruppe der Innovationsführer sein. Darauf zielt auch das am 8. November beschlossene Forschungspaket der Regierung ab. Doch der Wandel fordert noch viele weitere Schritte.

Mit der gezielten Förderung von Forschung, Technologie und Innovation will die Regierung mittel- und langfristig die notwendigen Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung sicherstellen. Bis 2021 sollen in Summe 700 Millionen Euro von der öffentlichen Hand investiert werden. Zusätzlich will die Regierung mit dem neuen Paket eine Hebelwirkung erzielen und rund 500 Millionen Euro an privaten Investitionen im Forschungsbereich bewirken. Ein zentraler Grundgedanke ist daher eine enge Partnerschaft der öffentlichen Hand, der Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Für 2017 sind 16,4 Millionen Euro an frischem Geld vom Bund vorgesehen. Davon sollen 10 Millionen Euro in die Forschungsfondsbeteiligung fließen.

Die zusätzlichen Mittel sollen insbesondere in die Risiko- und Spitzenforschung sowie die Forschungsinfrastruktur fließen. Zur Förderung von High-Tech-Unternehmen und Start-ups ist ein Wachstumsfonds vorgesehen, der als Anstoßfinanzierung private Investitionen nach sich ziehen soll. Um Österreich als Weltmarktstandort in der Elektroindustrie – insbesondere im Bereich Mikroelektronik – zu etablieren, wurde eine Forschungsinvestitionsoffensive unter dem Titel "Silicon Austria" initialisiert. Auch in den flächendeckenden Ausbau von Breitband-Hochleistungsinfrastrukturen soll wieder Bewegung kommen. Im Mittelpunkt steht dabei bereits der kommende Ausbau der 5G-Verbindungen. Mit Hilfe einer eigenen Strategie, die bis Ende 2017 ausgearbeitet wird, soll Österreich zum führenden 5G-Pilotland in Europa werden. Zu hoffen bleibt, dass die Ankündigungen auch in die Tat umgesetzt werden. Denn die Freigabe der entsprechenden Mittel wird erst bei der Festlegung des nächsten Finanzrahmens erfolgen.

Konkrete Maßnahmen gefordert

Denn damit das selbstgesteckte Ziel erreicht wird, und Österreich in den Rankings nicht weiter nach hinten rutscht, braucht es dringend konkretere Maßnahmen. So auch der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE), der anlässlich der Präsentation des jährlichen Berichts zur wissenschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit des Landes im Juni eine höhere Dynamik bei der Umsetzung der Forschungsstrategie der Bundesregierung einforderte. „Ansonsten werden wir kläglich scheitern und Österreich wird in Sachen Leistungsfähigkeit des Innovationssystems gegenüber den Innovation Leadern immer weiter zurückfallen, mit entsprechenden Konsequenzen für seine Wettbewerbsfähigkeit und damit auch für seinen Wohlstand“, kommentierte der Vorsitzende des Rates Hannes Androsch die Lage.

In einigen Bereichen können zwar Aufwärtstrends verzeichnet werden, diese bleiben aber deutlich hinter den Entwicklungen der führenden Innovationsnationen zurück. Damit wird der Abstand zur Gruppe der Innovation Leader nicht kleiner, sondern größer. Der RFTE fordert daher größere Anstrengungen bei der Umsetzung der FTI-Strategie und insbesondere eine rasche Umsetzung des seit Jahren angekündigten Forschungsfinanzierungsgesetzes.

Die Richtung scheint zumindest klar: „Unser Ziel ist, in die Reihe der Innovation Leader aufzusteigen. In den vergangenen Jahren sind uns wichtige Schritte dazu gelungen. Die dritthöchste Forschungsquote im EU-Vergleich, Fortschritte im MINT Bereich, Verbesserungen in internationalen Rankings und weltweit nachgefragte Innovationen aus Österreich sind der Beweis dafür. Wir sind auf dem besten Weg zu diesem Ziel. Um es zu erreichen müssen wir die weiteren Weichen für einen starken Forschungs- und Wissenschaftsstandort stellen. Umso wichtiger ist es, gemeinsam zu diskutieren, was wir dafür ändern, weiterentwickeln oder umstrukturieren müssen", so Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Dennoch sieht der Minister weitere Potentiale: in der Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, der Stärkung der Grundlagenforschung und der Forcierung von mehr Unternehmensgründungen aus dem Hochschulbereich.

Metaziel: Innovationsführer

Für Staatssekretär Harald Mahrer ist es höchste Zeit, sich auf die Digitalisierung einzustellen: „Meine These ist, dass in den nächsten 15-20 Jahren kein Stein auf dem anderen bleiben wird auf dieser Welt, getrieben durch die Digitalisierung. Die Digitalisierung wird den größten technologischen Wandel mit sich bringen seit der Erfindung des Buchdrucks vor 500 Jahren. Ein Metaziel sollte sein in die Gruppe der Innovationsführer zu kommen und zwar um jeden Preis. Alle anderen politischen policies sollten gnadenlos diesem Primat unterworfen werden. Sonst war es das mit dem Wohlstand, sonst können wir uns alle wirtschaftspolitisch gesprochen und gesellschaftspolitisch gesprochen ein weißes Leintuch umhängen und geordnet zum Friedhof marschieren.“

Dabei macht die digitale Transformation auch nicht vor der Verwaltung selbst halt. Ziel ist, dass Bürger und Unternehmen mit Behörden medienbruchfrei elektronisch kommunizieren können. Den Schlüssel zu einer modernen, effizienten und bürgernahen Verwaltung liefert die IT. Nach wie vor Spitze ist Österreich derzeit im E-Government-Bereich. Das zeigte sich unlängst nicht nur bei einem Vergleich zwischen Österreich, der Schweiz und Deutschland, sondern auch bei einem europaweiten Vergleich. In dem von der EU Kommission jährlich präsentierten "eGovernment Benchmark 2016" handelt es sich um eine über die EU-Staaten hinausreichende Vergleichsstudie elektronischer Verwaltungsangebote. „Unser gemeinsam mit Bundesländern und Gemeinden entwickelter Ansatz, ein möglichst breites Angebot an qualitativ hochwertigen E-Government-Services anzubieten, ist im internationalen Vergleich auch heuer wieder sehr gut angekommen. Es ist aber auch klar, dass wir uns weiterhin gemeinsam anstrengen müssen, um in der Top-Gruppe zu bleiben“, so Muna Duzdar, Staatssekretärin für Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung. Besonders positiv bewertete die Kommission Initiativen im Bereich der Schlüsseltechnologien. Darunter werden unter anderem  die elektronische Identifikation oder elektronische Dokumente verstanden: „Rund 700.000 Menschen nützen bereits die Handy Signatur als eine einfach handhabbare und sichere Möglichkeit, sich im Internet auszuweisen. Nicht nur Behördenwege, sondern auch Online-Geschäfte der Privatwirtschaft lassen sich damit sicher und effizient abwickeln“, so Duzdar. Auch bei der Benutzerfreundlichkeit, der grenzüberschreitenden Verfügbarkeit und der Transparenz der angebotenen Leistungen erreichte Österreich Top-Platzierungen. Bei der Gesamtbewertung gehört Österreich mit Ländern wie Belgien, den Niederlanden oder Luxemburg zu den Top-Performern im E-Government in Europa.

Akzeptanz in der Bevölkerung

Neben technischen Problemen, die es in Richtung Innovation-Leader zu bewältigen gilt, sind aber auch organisatorische und gesellschaftliche Hürden zu nehmen. Insbesondere sollte die Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Technologien gefördert werden. Und die Zeit drängt. Denn wenn nicht schnell genug gehandelt wird, wird Österreich von den Ländern überholt werden, die sich nicht vorwiegend mit den Risiken der Digitalisierung beschäftigen, sondern deren Potenziale in den Vordergrund stellen. Studien zeigen, dass durch die Digitalisierung in Deutschland in den nächsten 10 Jahren 390.000 neue Jobs geschaffen werden. Zur Industrie 4.0 veröffentlichte die Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik (ein Zusammenschluss führender deutscher Professoren der Produktionstechnik) beispielsweise im Sommer 2016 einen interessanten Standpunkt, der auch Handlungsempfehlungen für die Politik beinhaltet. Sie haben sicherlich auch für Österreich ihre Gültigkeit: Darunter findet sich insbesondere auch die Bereitstellung der spezifischen Infrastruktur. Eine funktionierende Wirtschaft braucht nicht nur ein gut ausgebautes Straßen- und Schienennetz sowie eine zuverlässige Energieversorgung, sondern auch eine leistungsfähige IKT-Infrastruktur, um eine erfolgreiche digitale Transformation zu voranzutreiben. Hier sei nur das Stichwort Breitbandnetze genannt. Außerdem werden die Flexibilisierung des Innovationssystems, der gezielte Ausbau von Spitzenforschung sowie Förderung der Lehre zur Kompetenzvermittlung im Ingenieurwesen, die Schaffung der notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen und die Förderung von KMU sowie die Einbindung aller relevanten Stakeholder genannt. Das hat man in Österreich erkannt. Mitte Oktober präsentierte Infrastrukturminister Jörg Leichtfried sein Infrastrukturpaket für den Süden Österreichs. Rund 12 Milliarden Euro sollen demnach bis zum Jahr 2022 in den Ausbau von Straße, Schiene, Breitband sowie Forschung und Entwicklung entlang der Südstrecke fließen. Dies ermöglicht nicht nur schnellere Verbindungen auf allen Ebenen, sondern schafft auch zahlreiche neue Jobs und legt den Grundstein für zukünftige wirtschaftliche Entwicklungen.

Österreich ist auch weltweit eines der ersten Länder, das eine nationale Open Innovation Strategie entwickelt hat. Mit ihrer Hilfe will die Regierung dazu beitragen, das Innovationssystem zu öffnen und zu erweitern. Das Ziel ist eine Kultur für Open Innovation aufzubauen, Open Innovation-Kompetenzen in allen Altersgruppen zu vermitteln, heterogene Netzwerke und Partnerschaften quer über Disziplinen, Branchen und Organisationen zu bilden sowie Ressourcen zu mobilisieren und die richtigen Rahmenbedingungen für Open Innovation zu schaffen. Ein Anfang ist damit gemacht, doch die Entwicklung schreitet rasant voran. Will man dabei sein, muss man am Ball bleiben.

Ziele für Städte und Gemeinden

Den Kommunen rät Leichtfried: „Um für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein, müssen Städte und Gemeinden jetzt vorausplanen und strategisch handeln. Das gilt insbesondere für die Versorgung der Betriebe sowie der Bürgerinnen und Bürger mit Breitband-Internet, das die Grundlage für die voranschreitende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bildet. Derzeit läuft die dritte Ausschreibungsrunde der Leerrohrförderung. Damit können Gemeinden, die Grabungsarbeiten durchführen, kostengünstig Leerrohre mitverlegt werden. Insgesamt stellen wir dafür rund 30 Millionen Euro aus der Breitbandmilliarde zur Verfügung. Zudem haben auch die Städte und Gemeinden Instrumente zur Hand, um E-Mobilität zu fördern, etwa durch verbilligtes oder exklusives Parken für E-Fahrzeuge.“

Neuen Rahmen setzen - Ängste nehmen

Viele Menschen stehen diesen neuen Entwicklungen skeptisch gegenüber, einige fürchten sich regelrecht davor. Ein Anliegen – insbesondere der SPÖ – ist es, diesen Wandel auch gesellschaftspolitisch mitzugestalten. Im Rahmen der Herbsttagung der SPÖ Parlamentsfraktion am 7. November, die unter dem Motto „Innovationen für Österreich. Wohlstand für die Menschen.“ stand, meinte Sozialminister Alois Stöger dazu: „Der Fortschritt ist unaufhaltsam. Der Fortschritt ist dann positiv, wenn wir in der Lage sind diesen Fortschritt zu gestalten. Es geht um Prinzipien, es geht um Werte der Sozialdemokratie auf deren Basis wir den Wandel gestalten können.“ Denn mit der Digitalisierung entstehen auch neue Realitäten in der Arbeitswelt. Dabei kommt es zu Verschiebungen in der Nachfrage von Arbeitskräften insbesondere nach Sparten und zu Veränderungen in der Wertschöpfung von Arbeit. Gleichzeitig finden weitere tiefgreifende Umwälzungen statt. Es kommt zu einer doppelten Entgrenzung von Arbeit: „Zum einen schmilzt die Grenze zwischen Arbeitsort und Privatsphäre. Zweitens lösen sich die Grenzen zwischen unselbstständiger Arbeit und selbstständiger Arbeit. Das österreichische Arbeits- und Sozialrecht hat sich bisher an dieser Grenze abgearbeitet. Wo setzen wir dann an, wenn es keine Betriebsgrenzen mehr gibt?“, so Stöger: „Ich möchte diese neuen Trends nicht abwürgen. Ich glaube auch, man kann sie nicht abwürgen. Wir müssen die Realitäten sehen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass Arbeitsformen sich verändert haben.“ Aber es müssen rechtliche und sozialrechtliche Bestimmungen geschaffen werden, die diesen Realitäten gerecht werden. Auf allen Ebenen bleibt viel zu tun.