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Wie können Finanzausgleichsreformen im kooperativen Föderalismus gelingen?
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), die Technische Universität Wien, Fachbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik (TU) sowie das KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung veranstalteten am 24. Jänner 2017 ein Symposium, um jenen Reformprozessen im Finanzausgleich nachzugehen, die auch tatsächlich zu Veränderungen führen. Keynotes von Wolfgang Renzsch (Universität Magdeburg) und Reinhard Neck (Universität Klagenfurt).
Der Finanzausgleich ist beschlossen und die Kuchenstücke sind verteilt. Entspricht diese Zuweisung der bundesstaatlichen Gelder auch tatsächlich den Modellen, die im Vorfeld von Experten verschiedenster wissenschaftlicher Richtungen entwickelt wurden? Wieviel Know-how geht von Reformvorschlägen am Weg zur Beschlussfassung verloren? Kann eine Finanzausgleichsreform im Rahmen eines kooperativen Föderalismus überhaupt gelingen? Diesen Fragen gingen führende Experten aus Finanzwirtschaft, Politikwissenschaft und Volkswirtschaft anlässlich eines FAG-Symposiums in Wien unter dem Titel: Nach der Reform ist vor der Reform? nach.
„Es verhält sich wie bei Don Quijote und den Windmühlen. Wir arbeiten ganzheitliche Reformmodelle aus und übrig bleiben im besten Fall Fragmente“, zeigte Karoline Mitterer, Finanz-Expertin im Zentrum für Verwaltungsforschung, auf. Kleine Reformbewegungen finden statt, ohne ein gemeinsames, ganzheitliches Ziel vor Augen zu haben. Der Finanzausgleich 2017 enthält zwar reformierte Elemente, wie etwa die Aufgabenorientierung, die einfachere Verteilung der Ertragsanteile oder den gebündelten Ressourcenausgleich, eine Gesamtstrategie stehe jedoch nicht dahinter. „Eine Reform in kleinen Schritten ist grundsätzlich nichts Schlechtes, aber man sollte wissen, wohin man geht“, forderte Mitterer ein.
Demokratie ist nicht Ökonomie verpflichtet
Eine Erklärung für das Dilemma weiß Wolfgang Renzsch, Professor am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Magdeburg. Er betonte, dass die Politikwissenschaft durchaus zu anderen Schlussfolgerungen komme als die Finanzwissenschaft. So müssen beispielsweise aus politikwissenschaftlicher Sicht Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung nicht zwingend in einer Hand liegen. Das föderale Verhältnis zwischen Bund und Gliedstaaten sei selten dauerhaft stabil. Im Gegenteil, zentralisierende und dezentralisierende Dynamiken wirken ständig auf ihn ein. Es bedarf daher eines permanenten Anpassungsprozesses an die sich verändernden Umstände. „Demokratische Entscheidungen sind keiner wie auch immer verstandenen ökonomischen Effizienz verpflichtet. Im Gegenteil, demokratische Systeme bedürfen einer hohen sozialen Integration, die nicht notwendigerweise ökonomisch effizient ist“, so Renzsch.
Dezentralisierung von Entscheidungen
Eine andere Position vertritt Reinhard Neck, Professor am Institut für Volkswirtschaft an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Er betonte, dass das Wesentliche an der Demokratie die möglichst weitgehende Erfüllung der Präferenzen der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger (und allenfalls weiterer von politischen Entscheidungen Betroffener) ist. Dies sei nur dann gewährleistet, wenn die politischen Entscheidungen auf jener Ebene getroffen werden, die jene Personen umfasst, die von diesen Entscheidungen direkt betroffen sind, sei es als Nutznießer oder als Finanziers (Steuerzahler). Daraus folgt, dass eine wesentlich stärkere Dezentralisierung von zahlreichen Entscheidungen erforderlich wäre, als es derzeit in Österreich der Fall ist. Reinhard Neck konstatiert: „Solange die österreichische Politik nicht mutige Schritte in eine Richtung setzt, die auf stärkere Dezentralisierung politischer Entscheidungen abzielt und auf mehr direkte Demokratie wie in der Schweiz setzt, ist nicht zu erwarten, dass Politik- und Demokratieverdrossenheit im Lande geringer werden.“
Länderinterne Finanzausgleiche
Das bundesweit einheitliche Finanzausgleichsgesetz wird auch durch die von den Ländern festgelegten Finanzbeziehungen zwischen Ländern und Gemeinden ausgehöhlt. Durch das FAG 2017 wurde die Länderebene weiter gestärkt und die Gemeindeautonomie im Gegenzug geschwächt. Somit zeigt sich eine noch stärkere Abhängigkeit der Gemeinden von den Ländern. In diesem Sinne hemmen die aktuellen Föderalismusstrukturen und ihre Entscheidungsmechanismen ganzheitliche Reformen.
Komplexer Finanzausgleich
Das WIFO sieht eine weitere Problematik in der hohen Komplexität des Finanzausgleichs. Eine Konzentration auf finanzwissenschaftliche Grundprinzipien wäre daher notwendig. Insbesondere auf Länderebene, aber auch bei den Gemeinden, fallen Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinander, weshalb eine Stärkung der Abgabenhoheit auf Länderebene notwendig wäre. „Dem vorsichtigen Einstieg in eine höhere Abgabenautonomie der Länder beim Wohnbauförderungsbeitrag müssen unbedingt noch weitere Schritte in Richtung Steuerhoheit folgen, zum Beispiel bei der Lohn- und Einkommensteuer. Und die überfällige Reform der Grundsteuer sollte mit mehr Autonomie der Gemeinden verknüpft werden“, meint Michael Klien, Referent am WIFO.
Konsistente Reformschritte
Reformen und auch einzelne Reformschritte müssen finanzwissenschaftlich danach beurteilt werden, ob damit eine gemeinsame Stoßrichtung und Strategie verfolgt wird. „Beim FAG 2017 werden hier eher unterschiedliche, auch einander widersprechende Zielsetzungen verfolgt. Die Grundprobleme des derzeitigen Systems werden jedenfalls nicht systematisch angegangen“, lokalisiert Michael Getzner, Fachbereichsleiter Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik der TU Wien, Schwachstellen in der Vorgehensweise.
Die Zukunft
Die Summe an kleinen Reformschritten, die im FAG 2017 verortet sind, gilt es nun zu bündeln und einen ernsten und gesamthaften Reformprozess zu starten. Hier bedarf es eines transparenten und klaren Reformprozesses, den die Politik möglichst zeitnah beschließen muss. Es gilt zu klären, wie der Prozess ausgestaltet sein soll, sodass zügig an Reformen gearbeitet werden kann. Vor allem ist ein gemeinsamen Verständnisses über die grundsätzliche Stoßrichtung der Reformen notwendig - über alle Gebietskörperschaften hinweg.
Weiters sind kleinere Arbeitspakete zu schnüren, welche konsequent umzusetzen sind. Es gilt jetzt die Aufgabenorientierung vorbildhaft umzusetzen und mit der Grundsteuerreform einen neuen Impuls zu setzen. Die Abgabenhoheit auf Länderebene ist weiter zu konkretisieren und schließlich im Finanzausgleich zu verankern. Transferreformen müssen auf Länderebene verpflichtend realisiert werden, um die Gemeindeautonomie zu stärken. Schlussendlich muss eine Staatsreform mit einer einheitlichen Stoßrichtung ernsthaft aufgegriffen werden. Gemeinsame Ziele müssen definiert werden. Die ExpertInnen waren sich einig, dass die aktuelle Finanzausgleichs-Periode tatsächlich für konkrete Vorschläge genutzt werden müsse, um möglichst bald umsetzbare Reformmodelle zu verwirklichen, welche den Finanzausgleich im Gesamtgefüge berücksichtigten.