Bildnachweis: Europäische Union 2017
Die wirtschaftliche Erholung in Europa geht in das fünfte Jahr und hat nun alle EU-Mitgliedstaaten erreicht. In diesem und im nächsten Jahr soll sich dieser Trend relativ konstant fortsetzen.
In der am 11. Mai vorgelegten Frühjahrsprognose geht die Europäische Kommission für 2017 und 2018 von einem BIP-Wachstum im Euroraum von 1,7 bzw. 1,8 Prozent aus (1,6 bzw. 1,8 % in der Winterprognose). Für die EU wird in beiden Jahren mit einem stabilen BIP-Wachstum von 1,9 Prozent gerechnet (jeweils 1,8 % in der Winterprognose).
Der für den Euro und den sozialen Dialog zuständige Vizepräsident Valdis Dombrovskis, außerdem zuständig für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion, erklärte: „Die veröffentlichte Wirtschaftsprognose zeigt, dass das Wachstum in der EU an Fahrt gewinnt und die Arbeitslosigkeit weiter zurückgeht. Dennoch ist die Situation in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich, denn die Volkswirtschaften, die ehrgeizigere Strukturreformen umgesetzt haben, verzeichnen bessere Ergebnisse. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, müssen wir entscheidende Reformen in ganz Europa durchführen: von der Öffnung unserer Märkte für Waren und Dienstleistungen bis hin zur Modernisierung der Arbeitsmärkte und der Sozialsysteme. In einer Zeit des demografischen und technologischen Wandels müssen sich auch unsere Volkswirtschaften weiterentwickeln und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Möglichkeiten und einen höheren Lebensstandard bieten.“
Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll, fügte hinzu: „Europa verzeichnet nun bereits im fünften Jahr in Folge Wachstum, unterstützt von der akkommodierenden Geldpolitik, starkem Vertrauen der Unternehmen und Verbraucher sowie einer Verbesserung des Welthandels. Auch ist es erfreulich, dass die große Unsicherheit, die wir in den letzten zwölf Monaten erlebt haben, langsam zu schwinden scheint. Doch ziehen Beschäftigung und Investitionen im Euroraum nicht gleich stark an. In den kommenden Monaten und Jahren wird eine unserer Hauptaufgaben darin bestehen, gegen die Ursachen für diese Diskrepanzen vorzugehen.“
Weltwirtschaft wird weiter wachsen
Durch die gleichzeitige Erholung der Konjunktur in zahlreichen Industrie- und Schwellenländern hat die Weltwirtschaft Ende des letzten Jahres und Anfang dieses Jahres an Dynamik gewonnen. Da sich die Widerstandsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft auf kurze Sicht fortsetzt und andere aufstrebende Volkswirtschaften von den sich erholenden Rohstoffpreisen profitieren, dürfte die Weltwirtschaft (ohne EU) von 3,2 Prozent im Jahr 2016 (im Einklang mit der Winterprognose) auf 3,7 Prozent in diesem Jahr und 3,9 Prozent im Jahr 2018 wachsen. Die Aussichten für die US-amerikanische Wirtschaft bleiben gegenüber der Winterprognose weitgehend unverändert. Insgesamt dürfte der Außenbeitrag zum BIP-Wachstum des Euroraums in den Jahren 2017 und 2018 neutral ausfallen.
Gesamtinflation steigt vorübergehend an
Die Inflation hat insbesondere aufgrund des Ölpreisanstiegs in den letzten Monaten kräftig angezogen. Die Kerninflation, bei der die volatilen Preise für Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel herausgerechnet werden, ist hingegen relativ stabil geblieben und lag deutlich unter ihrem langfristigen Durchschnitt. Es wird erwartet, dass die Inflation im Euroraum von 0,2 Prozent im Jahr 2016 auf 1,6 Prozent im Jahr 2017 steigen wird, bevor sie 2018 durch den nachlassenden Effekt des Ölpreisanstiegs wieder auf 1,3 Prozent schrumpfen dürfte.
Inflationsbedingte Verlangsamung des privaten Verbrauchs bei konstantem Investitionsniveau
Der private Verbrauch, der in den letzten Jahren der wichtigste Wachstumsmotor war, ist 2016 so stark gestiegen wie seit 10 Jahren nicht mehr. Aufgrund der Inflation, durch die die Privathaushalte einen Teil ihrer Kaufkraft einbüßen, dürfte sich der private Verbrauch dieses Jahr allerdings abschwächen. Angesichts des prognostizierten Inflationsrückganges im nächsten Jahr, dürfte der private Konsum allerdings wieder leicht anziehen. Die Investitionstätigkeit wird zwar weiterhin durch die geringen Wachstumsaussichten und den notwenigen Schuldenabbau in einigen Sektoren gebremst, dürfte sich aber dennoch recht beständig ausweiten. Unterstützt wird diese allmähliche Erholung durch eine Reihe von Faktoren, wie zum Beispiel die zunehmende Kapazitätsauslastung, steigende Unternehmenserträge und attraktive Finanzierungsbedingungen sowie die Investitionsoffensive für Europa.
Abwärtstrend bei Arbeitslosigkeit setzt sich fort
Obwohl sich der abnehmende Trend in der Arbeitslosigkeit weiter fortsetzt, bleiben die Arbeitslosenzahlen in vielen Ländern jedoch nach wie vor hoch. Im Euroraum wird erwartet, dass die Arbeitslosenquote von 9,4 Prozent im Jahr 2017 auf 8,9 Prozent im Jahr 2018 fallen wird – der niedrigste Wert seit Anfang 2009. Zurückzuführen ist dies auf eine steigende Binnennachfrage, Strukturreformen und andere staatliche Maßnahmen in bestimmten Ländern, die insbesondere auf die Schaffung von Arbeitsplätzen ausgerichtet sind. In der EU insgesamt zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab: die Arbeitslosigkeit soll 2017 auf 8,0 Prozent und 2018 auf 7,7 Prozent zurückgehen. Das wäre der niedrigste Wert seit Ende 2008.
Öffentliche Finanzen auf dem Weg der Besserung
In den Jahren 2017 und 2018 wird für den Euroraum und für die EU insgesamt mit einem Rückgang sowohl des gesamtstaatlichen Defizits als auch der Bruttoschuldenquote gerechnet. Aufgrund niedrigerer Zinszahlungen und einer moderaten Lohnentwicklung im öffentlichen Sektor dürften die Haushaltsdefizite weiter zurückgehen – wenn auch langsamer als in den Vorjahren. Für den Euroraum sehen die Prognosen einen Rückgang des öffentlichen Defizits von 1,5 Prozent des BIP im Jahr 2016 auf 1,4 Prozent im Jahr 2017 und 1,3 Prozent im Jahr 2018 vor, während es in der EU insgesamt von 1,7 Prozent des BIP im Jahr 2016 auf 1,6 Prozent im Jahr 2017 und 1,5 Prozent im Jahr 2018 verringern soll. Die Schuldenquote dürfte im Euroraum von 91,3 Prozent des BIP im Jahr 2016 auf 90,3 Prozent im Jahr 2017 und 89,0 Prozent im Jahr 2018 fallen, während sie in der EU insgesamt von 85,1 Prozent im Jahr 2016 auf 84,8 Prozent im Jahr 2017 und 83,6 Prozent im Jahr 2018 zurückgehen soll.
Ausgewogenere, aber immer noch abwärtsgerichtete Prognoserisiken
Die wirtschaftlichen Aussichten sind weiterhin von einer hohen Unsicherheit geprägt. Insgesamt sind die Risiken zwar nun ausgewogener als noch im Winter, aber dennoch weiterhin abwärtsgerichtet. Externe Risiken hängen zum Beispiel mit der künftigen US-amerikanischen Wirtschafts- und Handelspolitik und weiteren geopolitischen Spannungen zusammen. Auch die wirtschaftliche Anpassung Chinas, die Solidität des europäischen Bankensektors und die anstehenden Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich über den Austritt des Landes aus der EU stellen ebenso mögliche Abwärtsrisiken in der Prognose dar.
Hintergrund
Diese Prognose basiert auf einer Reihe technischer Annahmen in Bezug auf Wechselkurse, Zinssätze und Rohstoffpreise mit Stichtag 25. April 2017. Die Annahmen zu den Zinssätzen und Rohstoffpreisen spiegeln die zum Zeitpunkt der Prognose von Derivatemärkten abgeleiteten Markterwartungen wider. Bei allen anderen herangezogenen Daten, auch den Annahmen zu staatlichen Maßnahmen, wurden in dieser Prognose Informationen bis einschließlich 25. April 2017 berücksichtigt. Den Projektionen liegt die Annahme einer unveränderten Politik zugrunde, es sei denn, es wurden politische Maßnahmen angekündigt, die einerseits glaubwürdig und andererseits hinreichend spezifiziert sind.
Weitere Informationen zur Frühlingsprognose 2017 finden Sie hier und insb. zu Österreich hier.
Quelle: Europäische Kommission