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©Victoria Posch  Paul Schmidt, Katharina Steinwendtner, Stefan Gehrer, Ortrun Gauper, Jörg Leichtfried,Georg Pfeifer und Konrad Maric

Die EU muss die richtigen Geschichten erzählen

Kommunikative Herausforderung für den EU-Wahlkampf 2019:

Renommierte Kommunikations-Experten diskutierten beim 4. EU-Talk der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien, wie das Interesse der Bevölkerung an der EU und somit auch die Beteiligung an der kommenden EU-Wahl gesteigert werden kann.

Ein hochkarätiges Expertenpodium sorgte am 23.1.2019 im Haus der EU für eine spannende und informative Podiumsdiskussion. Unter der Leitung von Ortrun Gauper, Initiatorin der Veranstaltungsreihe „EU-Talk“, diskutierten Georg PfeiferLeiter des Verbindungsbüros des Europäischen Parlaments in Österreich; Paul SchmidtGeneralsekretär der Gesellschaft für Europapolitik; Jörg Leichtfried, Präsident der Europäischen Bewegung ÖsterreichKatharina Steinwendtner, Pressesprecherin der SPÖ-Delegationen im Europäischen ParlamentStefan Gehrer, Journalist und ORF-Moderatorsowie Konrad Maric, Obmann-Stv. der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien. Rund 120 Gäste kamen, um sich zu informieren und mitzudiskutieren.

Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger

Die Expertenrunde war sich rasch in einem Punkt einig: Die Kernfrage der bevorstehenden EU-Wahl ist die Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger. Bei der letzten EU-Wahl 2014 kamen nur magere 45 % der Österreichinnen und Österreicher an die Urnen, bei der letzten Nationalratswahl im Jahr 2017 waren es fast doppelt so viele (80%). Auch in anderen EU-Mitgliedstaaten ist die Situation nicht viel besser, wie Paul Schmidt, Generalsekretär der österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, in seiner Keynote aufzeigte: „Die EU-weite Wahlbeteiligung sinkt seit 1979 konstant, obwohl die europäischen Herausforderungen und die Intensität der öffentlichen Diskussion rund um die EU gestiegen sind.“ Auch für Österreich wird bei der EU-Wahl am 26. Mai 2019 eine weiter sinkende Wahlbeteiligung prognostiziert. Gleichzeitig wirkte sich die öffentliche Brexit-Diskussion positiv auf die generelle Zustimmung der Österreicherinnen und Österreicher zur EU aus. Diese stieg nach dem Brexit-Votum von 60% auf 77% (ÖGfE-Telefonumfrage).

Jörg Leichtfried hat dafür eine Erklärung: „Druck von außen schweißt zusammen!“ Er selbst war von 2004 bis 2015 Abgeordneter im Europäischen Parlament und hält nichts von einer Austrittsdebatte: „Wir sind in der EU. Das ist ein Faktum.“ Die richtige Frage müsse daher lauten: Wie wollen wir die Zukunft der EU gestalten? „Mit einem beherzten Wahlkampf müssen wir die EU als bemerkenswertestes Friedensprojekt unseres Kontinents darstellen und mit der richtigen Kombination aus politischen Hauptdarstellern, emotionalen Geschichten und breiter Information werden wir den Wählerinnen und Wählern dessen Bedeutung bewusst machen. Dann wird auch die Wahlbeteiligung steigen“, zeigt sich Leichtfried optimistisch.

Auch für Stefan Gehrer ist die Frage der Mobilisierung essentiell. Man müsse nach Wegen suchen, um aus dem „Elitenprojekt EU“ ein für die breite Bevölkerung interessantes und wichtiges Thema zu machen. Die Akteure müssten sich fragen: Wie nehmen wir die breite Bevölkerung mit? Gehrer sieht nicht zuletzt in der Komplexität der EU ein großes Problem. „Vor allem die Zeitverzögerung stellt für die Berichterstattung eine große Herausforderung dar. Bis ein EU-Thema in Österreich schlagend wird, vergehen oft Jahre. Da verlieren wir jede Begeisterung – sowohl die Medien als auch die Bevölkerung!“

Katharina Steinwendtner sieht das sehr ähnlich: „Die Parlamentarier brennen in Brüssel für ein Thema, scheitern aber an der kommunikativen Vermarktung im eigenen Land!“ Auch sie wünscht sich einen Weg „raus aus der Elitenbubble“. Auf die Frage, ob sie Fake News als kommunikative Bedrohung im Wahlkampf sieht, antwortet Steinwendtner: „Wir brauchen mehr Transparenz in den sozialen Medien und eine kritischere Betrachtung dessen, was wir dort täglich lesen.“

Konrad Maric sieht den steigenden Einfluss der sozialen Medien zwar grundsätzlich als Chance, die EU der breiten Bevölkerung näher zu bringen, warnt aber vor einem zu leichtfertigen Umgang im Wahlkampf: „Es wird ein Wahlkampf der neuen Dimension, weil wir mit Medien arbeiten, die wir noch zu wenig kennen!“ Als einen möglichen Lösungsansatz, die Begeisterung für die EU in der Bevölkerung aus kommunikativer Sicht zu steigern, wünscht sich Maric mehr positive Emotion und unterstreicht damit, dass nicht die „technischen Themen“ wie Institutionen, Gesetzwerdungsprozesse und Ähnliches die Bevölkerung interessieren, sondern „gute Geschichten“: „Wir müssen den Sympathiefaktor erhöhen. Nur dann erreichen wir die Herzen der Bevölkerung und damit auch deren Zustimmung.“

Alle waren sich am Ende einig: Die EU-Wahl 2019 sei eine Richtungswahl. Politik und Kommunikation stünden vor der Herausforderung, die Wählerinnen und Wähler von einer neuen europäischen Zukunftsvision zu überzeugen. Eine kritische öffentliche Auseinandersetzung über aktuelle Probleme und mehr Engagement für die gemeinsame europäische Idee wären dafür unerlässlich.